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Zur Verfügung gestellt von Schirer_Renato

 

Unmittelbar nach der am 12. März 1938 erfolgten Annexion der Republik Österreich durch das Hitler-Reich, wurde mit der Neuerrichtung und Erweiterung von Truppenübungsplätzen für die Wehrmacht begonnen. Diese Vorhaben wurden von den zivilen Reichsbehörden und vom Oberkommando der Wehrmacht mit großer Dringlichkeit betrieben. So wurde bereits am 5. August 1938 für den Bereich des Landes Österreich ein eigenes Gesetz über die Beschaffung von Land für militärische Zwecke erlassen. ( Bekanntmachung der Anordnung des Chefs des Oberkommandos der Wehrmacht über die Landbeschaffung für Zwecke der Wehrmacht. Gesetzblatt für das Land Österreich Nr. 318 vom 5.8.1938.)

 Das erste Projekt im Rahmen der großzügigen Ausbaupläne war auf dem österreichischen Staatsgebiet, welches nun zur "Ostmark"  des Deutschen Reiches geworden war, betraf den Truppenübungsplatz Bruck an der Leitha. Dieser, noch aus der Monarchie stammende,  Übungsplatz wurde der Fläche nach um 20 Quadratkilometer erweitert und erreichte, unter Einbeziehung der Ortschaften Kaisersteinbruch und Sommerein, eine Ausdehnung von annähernd 65 Quadratkilometern.

 

Doch die Unterbringungsmöglichkeiten für die übenden Truppen waren völlig ungenügend. Daher wurde das alte Brucker Lager um eine aus Baracken bestehende neue Truppenunterkunft an der Dammstraße erweitert. (Das neue Barackenlager an der Dammstraße wurde, im Unterschied zum alten Brucker Lager, welches man als Lager I bezeichnete, nun Lager I a genannt.)

 So konnten im Sommer 1939 bereits über 2000 Soldaten am Truppenübungsplatz untergebracht werden. (Bundarchiv-Militärarchiv; Wehrkreiskommando XVII (Stellvertretendes Generalkommando XVII. AK), Abt. Ia Az. 34a Nr. 9282/39 geh., vom 19.9.1939, Betr.: Verlegung von Einheiten auf Tr.Üb.Pl.) Trotzdem klassifizierte das Wehrkreiskommando XVII in Wien die vorhandenen Kapazitäten als völlig ungenügend. Für eine endgültige Lösung der Unterkunftsprobleme plante man im Westen des Truppenübungsplatzes, unmittelbar bei der Ortschaft Götzendorf, die Errichtung eines neuen Lagers für die übende Truppe. Dieses sollte großzügig dimensioniert und in endgültiger, massiver Bauweise errichtet werden. Ausgelegt wurde die Anlage auf die übungsmäßige Unterbringung von je einem Infanterie- und Artillerieregiment sowie einer Panzerabteilung. Eine Erweiterung der ersten Ausbaustufe um eine weitere Panzerabteilung hatte man bereits eingeplant, so dass im Endausbau drei Regimenter, nämlich ein Infanterie-, ein  Artillerie- und ein Panzerregiment gleichzeitig untergebracht werden konnten.

 

Die Bauarbeiten standen unter der Leitung des dem Wehrkreiskommando XVII  unterstehenden Heeresbauamts in Wien, wobei die zu errichtende Anlage in Entwurf und Gestaltung den damals üblichen Heeresbauten entsprach. Das dafür in Aussicht genommene Areal lag auf dem Gebiet der erst vor kurzem abgesiedelten und im Truppenübungsplatz aufgegangenen Gemeinde Sommerein. Der Bauplatz lag unmittelbar am Leitha-Fluss, welcher auch die Grenze des Übungsplatzes gegen die Ortschaften Götzendorf und Trautmannsdorf zu bildete. Obwohl ein genaues Datum des Baubeginns nicht ermittelt werden konnte, darf dafür das Jahr 1940 angenommen werden. Der umfangreiche Komplex wurde von Anfang an nicht als Kaserne, sondern immer nur als „Lager Götzendorf“ bezeichnet und zählte zum Standortbereich Bruck an der Leitha. Damit kann für Götzendorf der Status einer „Garnison“ bzw. eines „Standortes“ ausgeschlossen werden. ( Die Wehrmacht verwendete anstelle des Wortes „Garnison“ bzw. „Garnisonsort“ die Bezeichnung „Standort“.) Ohne Zusammenhang mit den Vorhaben des Heeres im Bereich des Truppenübungsplatzes Bruck an der Leitha, hatte die Luftwaffe bereits 1938 mit dem Ausbau eines Flugplatzes in Götzendorf begonnen. Dafür hatte man den Bereich, welcher zwischen dem Für-Bach und dem Fischa Graben sowie dem Bahndamm der Ostbahn und der nach Ebergassing führenden Straße lag, ausgewählt. Auch hier, auf dem als „E-Hafen“ (Einsatz-Flughafen) klassifizierten Platz, kam es während des Krieges zu keiner ständigen Stationierung von Soldaten der Luftwaffe. ( Der Flugbetrieb in Götzendorf wurde anfangs von der Fliegerhorst-Kommandantur in Zwölfaxing, später vom Flugplatzkommando in Parndorf betreut.)

 

Der Neubau des Lagers wurde in den Jahren 1940 und 1941 stark gefördert und die einzelnen Objekte wuchsen, aufgrund der hohen Einstufung der Dringlichkeit, rasch aus dem Boden. Im Herbst 1941 kam völlig überraschend das „Aus“  für die Großbaustelle, eine Folge des Angriffs auf die Sowjetunion. Denn im Spätsommer 1941 zeichnete es sich ab, dass es weder im Westen gelungen war Großbritannien als Gegner auszuschalten noch an der Ostfront einen raschen Sieg zu erringen. So sah man sich zu einschneidenden und schmerzlichen Maßnahmen gezwungen. Zugunsten der Heeres- und Luftwaffenrüstung wurde ein allgemeiner Baustopp für alle als „nicht kriegswichtig“ erachteten Bauvorhaben verfügt. Darunter fiel auch das Lager Götzendorf, wo der überwiegende Teil der Unterkunftsbauten im Rohbau vollendet war. Im Bereich des Lagers wurde, abgesehen von Sicherungsarbeiten, jegliche Bautätigkeit eingestellt, sodass die Gebäude unvollendet blieben. Anders war es beim Ausbau der Schießbahnen am Truppenübungsplatz, deren Fertigstellung als kriegswichtig galt, welche weitergeführt wurden. Trotz der bisher getätigten umfangreichen Investitionen war zur Jahreswende 1941/42 noch kein einziger Gebäudekomplex fertiggestellt.

 

Der Torso der am Ufer der Leitha gelegen riesigen Kasernenanlage stand nun, als ein Mahnmal einer gigantischen Fehlinvestition, verlassen und ungenützt am Rande des Truppenübungsplatzes. Die Folgen des verlustreichen Winterkrieges in Russland erreichten zu Beginn des Jahres 1943 auch Wien, als die Wehrmacht zusätzliche 2600 Lazarettbetten forderte, was zu erheblichen Konflikten mit der zivilen Administration führte. In der Folge wandte sich Baldur von Schirach brieflich direkt an Generalfeldmarschall Keitel und forderte eine Überprüfung der Dienststellen der Wehrmacht in Wien und ein Ende der ständigen Raumanforderungen. Daraufhin forderte das Oberkommando der Wehrmacht das Heer, Marine und Luftwaffe zukünftig benötigten Räume im eigenen Bereich freizumachen hätten oder durch den Bau von Baracken neu zu schaffen. ( Wiener Stadt- und Landesarchiv. M.Abt. 212 A7 Schachtel 10. Hier OKW Az.63 AWA/W Allg. (IIa), Nr. 6170/42, vom 5.11.1942, Betr.: Überprüfung der Zustände in Wien. In der Beilage die Abschrift des Schreibens des Reichsstatthalters in Wien, vom 13.10.1942.)

 In diesem Zusammenhang ist die Aufnahme der Bautätigkeit, wenn auch nur in bescheidenen Umfang in Götzendorf zu sehen. Eine weitere Triebfeder war der eskalierende Luftkrieg, der es erforderlich machte, entsprechende spitalsmäßige Vorsorgen für die Bewohner der bedrohten Städte zu treffen. Im Rahmen eines diesbezüglichen Sonderprogrammes wurde auch die Wehrmacht verpflichtet, zumindest in den Großstädten, einige der bisher vom Militär beschlagnahmten Spitäler für die Zivilbevölkerung freizumachen.

Das Lager Götzendorf (Bauzustand bei Kriegsende)

Legende

 

 

 1         Wache                                                             20e       Unterkunft Stab 2. Art. Abt.

 2         Kommandantur                                                 20f       Unterkunft 4. Batterie

 3         Unterrichtsgebäude (Kino)                                 20g       Unterkunft 5. Batterie

 4         Offiziersheim (davor der Exerzierplatz)                   21        Wirtschaftsgebäude 1 u. 2 der Art.

 8         Leutnantsbaracken                                           22a       Stab Pz. Abt.

 9         Schwimmbad                                                   22b       1.(le.) Pz. Kp.

 10       Auskleide- u. Duschraum                                   22c       2.(le.) Pz. Kp.

 11       Sonnenschutzdach                                           22d       3.(s.) Pz. Kp.

 12       Sportplatz                                                        22e       4.(s.) Pz. Kp.

 13       Baracke für weibliche Angestellte                        22f       Pz. Kp.

 14       Baracke für männliche Angestellte                       22g       Pz. Kp.

 15       Stabs-Baracke (Rgt. Stab. Inf.)                           22h       Pz. Kp.

 16a      Unterkunft 1. Schützen-Kp.                               23        Wirtschaftsgebäude 1 für Pz.

 16b      Unterkunft 2. Schützen-Kp.                               24        Pferdeställe 1 - 8 der Art.

 16c      Unterkunft 3. Schützen-Kp.                               25        Beschlagschmiede Inf. u. Art.

 16d      Unterkunft 4. Schützen-Kp.                               26        Waffenmeisterei A (groß)

 16e      Unterkunft 5. Schützen-Kp.                               27        Waffenmeisterei B (klein)

 16f      Unterkunft 6. Schützen-Kp.                               28        Pferdeställe 1- 5 der Inf.

 16g      Unterkunft 7. Schützen-Kp.                               29        Offene Fahrzeughalle

 16h      Unterkunft 8. Schützen-Kp.                               30        Massive Fahrzeughalle

 16i       Unterkunft 9. Schützen-Kp.                               31        Ortsfeste Werkstätte

 16j       Unterkunft 10. Schützen-Kp.                             32        Tankstelle

 16k      Unterkunft 11. Schützen-Kp.                             33        Öl- und Fett-Raum

 16l       Unterkunft 12. MG-Kp.                                      34        Parkplatz

 16m     Unterkunft 13. Inf. Gesch.-Kp.                           35        Abschmierrampen

 16n      Unterkunft 14. Inf. Aufklärungs-Kp.                    36        Scheibenhof

 16o      Unterkunft 15. Radfahr-Kp.                               37        Bauhof der Heeres-Standort-Verw.

 16p      Unterkunft Stabs-Kp.                                        38        Krankenstall

 17       Wirtschaftsgebäude 1-4 für Inf.                          39        Absonderungsstall

 18       Badebaracke                                                    40        Arrest

 19       Krankenbaracke Inf. u. Art.                               41        Familienwohnhäuser

 20a      Unterkunft Stab. 1. Art. Abt.                              42        Kläranlage

 20b      Unterkunft 1. Batterie                                       43        Garage für Privatfahrzeuge

 20c      Unterkunft 2. Batterie                                       44        Fahrradschuppen

 20d      Unterkunft 3. Batterie                                       45        Geräteraum

                                                                                  46        Bürobaracke

 

Der Plan des Lagers Götzendorf ist eine Rekonstruktion nach einer  aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges stammenden Planpause (Plan Nr. 2189, undatiert) zur Wasserversorgung des Lagers. Die Planangaben und der reale Ausbauzustand wurde anhand eines alliierten Luftbildes vom 9. Juli 1944 überprüft und ergänzt. Der Ort Götzendorf und das Lager wurde an diesem Tag um 0900 Uhr, von der 60. Squadron der 547. Photo Reconnaissance Group, aus einer Höhe von 7.320 Meter fotografiert.

Unter diesen Zwängen reifte der Plan heran, zumindest einen Teil des Lagers für ein großes Reservelazarett zu verwenden. Damit wollte man die in Wien, durch die Übergabe von bisher in Anspruch genommen Objekten, verlorengegangenen Bettenkapazitäten ersetzen. ( So wurde Anfang 1944 die, bisher von der Wehrmacht als „Lazarett X a“  genutzte, Franklin-Schule in Wien-Floridsdorf als Notspital an die Stadtverwaltung übergeben.)

 Zumindest die am weitersten fortgeschrittenen Unterkunftsbauten sollten so rasch als möglich als Lazarettunterkünfte fertiggestellt werden. Die in Aussicht genommenen Häuser wurden in einfachster Ausführung fertiggebaut, wobei man bei der Adaptierung für den neuen Verwendungszweck bewusst auf alle Feinheiten verzichtete. So blieben die fertiggestellten Bauten durchwegs ohne Außenverputz. So konnte zu Anfang des Jahres 1943 der erste Bauabschnitt fertiggestellt werden und das Reservelazarett konnte seinen Betrieb aufnehmen. Parallel dazu ging der Ausbau weiter, denn in einem zweiten Bauabschnitt wollte man die Bettenkapazität des Reserve-Lazaretts verdoppeln, was wahrscheinlich im Jahr 1944 auch erreicht werden konnte. ( Schriftgut über das Reservelazarett Götzendorf konnte bisher nicht aufgefunden werden. Im Staatsarchiv – Abt. Kriegsarchiv fand sich unter der Signatur NL/B-559 ein militärischen Laufbahnbild, wo ein Aufenthalt vom 14. April bis zum 4.Oktober 1944 im Reserve-Lazarett Götzendorf/Leitha aufscheint.)

 Mit den Niederlagen bei Stalingrad und El Alamein hatte der Krieg zur Jahreswende 1942/43 seinen Kulminationspunkt erreicht und ab dem Sommer 1943 wurden dann auch die südlichen- und östlichen Teile des Reiches in das Luftkriegsgeschehen einbezogen.

Die Berechtigung zum Ausgang für einen Patienten des Reservelazaretts in Götzendorf an der Leitha, vom Hochsommer des Jahres 1944.

Das Pflegepersonal, bestehend aus Soldaten und Zivilbediensteten, am Eingang des zu betreuenden Blocks des Reservelazaretts (Sommer 1944).

Der Blick auf zwei, für das Reservelazarett provisorisch fertiggestellte, Unterkunftsbauten im Bereich des Lagers Götzendorf

Als 1944 die Fronten im Osten und Südosten immer näher an die Reichsgrenzen heranrückten, wurde im Herbst 1944 eine zur Heeresgruppe Süd gehörige Kriegslazarett-Abteilung nach Götzendorf verlegt. Dabei handelte es sich um das dritte und vierte Lazarett der Kriegslazarett-Abteilung 606, die nun ebenfalls im Lager Götzendorf untergebracht wurden. Die beiden zur Abteilung gehörenden Leichtkrankenlazarette (1. und 2./606) fanden hingegen am Semmering und in Wiener Neudorf Aufnahme. ( National Archives Washington D.C. USA; German Records Microfilmed at Alexandria Va. Microfilm Serie T-79 roll 93. Hier: Wehrmachtsstandortältester Bruck/L Az.: 23 Br.B.Nr. 696/44 geh. (II), vom 24.10.1944. Zu diesem Datum befanden sich das 3. und 4. Lazarett der Kriegslazarettabteilung 606 im Lager Götzendorf. In Bruck an der Leitha befand sich das Sonder-Lazarett (S 752) für russische Freiwillige, mit 772 Patienten und 97 russischen Pflegern.)

 Das Reservelazarett bestand vermutlich, noch parallel zur neu eingezogen Kriegslazarett-Abteilung, bis zum Jahresende 1944 weiter und wurde danach Zug um Zug, zu Gunsten der beiden Kriegslazarette, aufgelassen.

 

Die schweren und verlustreichen Kämpfe des letzten Winters, hier vor allem die Schlacht um Budapest und die nachfolgenden schweren Kämpfe um den Gran-Brückenkopf, brachten einen endlosen Strom von Schwerverwundeten in die hinter den Fronten gelegenen Krankenanstalten. Zuallerletzt sorgte die „Plattensee-Offensive", das Unternehmen "Frühlingserwachen", welches als das letzte große Angriffsunternehmen der Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg gilt, für den ständigen Nachschub an verletzten und verstümmelten deutschen- und ungarischen Soldaten, welche fast täglich am Bahnhof in Götzendorf aus den Lazarettzügen entladen wurden. Die ersten im Lazarett in Götzendorf verstorbenen Soldaten wurden noch in feierlicher Form und mit allen militärischen Ehren am Ortsfriedhof bestattet. Doch schon bald musste eine eigene Gräberanlage neben dem Ortsfriedhof errichtet werden.

 

Diese neue Grabstätte lag nun außerhalb der Friedhofsmauer, und war mit dem heute noch bestehenden Soldatenfriedhof ident. Fast jeden Tag konnte man ein einsames Fuhrwerk beobachten, mit dem die leblosen Körper der im Lazarett Verstorbenen zum Friedhof gekarrt wurden. Als im Winter 1945 der Boden besonders tiefgefroren war, sah man sich gezwungen die Leichen hinter der Friedhofsmauer zu stapeln, bis das einsetzende Tauwetter eine ordnungsgemäße Bestattung ermöglichte. Der Tod hielt damals reiche Ernte, nach den Angaben der Kriegsgräberkartei wurden bis zum Herankommen der Front 456 im Lazarett verstorbene Soldaten bestattet. Neben Deutschen und Österreichern fanden hier auch zahlreiche Ungarn, vereinzelt aber auch Angehörige von verschiedenen europäischen Nationen, ihre letzte Ruhestätte. Alle diese Soldaten hatten im Rahmen der Heeresgruppe Süd, zumeist im Verband der 8. Armee und der 6. SS-Panzerarmee, gekämpft und wurden als Verwundete ins Lazarett nach Götzendorf gebracht. Auf der Kriegsgräber-Anlage in Götzendorf kam es nach Kriegsende zur Bestattung von weiteren 17 Soldaten, welche während der Kampfhandlungen in der Umgebung gefallen waren.  

 

Bedingt durch den raschen Rückzug der deutschen Truppen in Ungarn und in der Slowakei verkürzten sich die Transportwege für die Anlieferung der Verwundeten von Tag zu Tag. Immer mehr Schwerstverwundete fanden wurden direkt in die Lazarette und Spitäler im Heimatgebiet eingeliefert. Im März hatte sich die deutsche Offensive endgültig festgelaufen und die Rote Armee direkt aus der Abwehr zum Großangriff, mit dem Ziel der österreichischen Hauptstadt, an. Durch die Nähe der Front glich das Götzendorfer Lager immer mehr einem Hauptverbandsplatz, wo Ärzte, Schwestern und die Sanitäter, aber auch das 17 Mann umfassende russische Hilfspersonal, rund um die Uhr die zahlreichen Verwundeten versorgten. Seit 28. März waren Beauftragte des Generalstabsarztes der Heeresgruppe Süd, Dr.med. Hans Holm im Protektorat Böhmen und Mähren unterwegs, um Unterbringungsmöglichkeiten für sechs Kriegs- und sieben Feldlazarette, mit den dazugehörigen zwei Lazarettstäben zu organisieren. ( Narodny Archiv Prag. 1464 – NSM – sg. 110 – 7/32. Raumbewirtschaftungskommission des Deutschen Staatsministers für Böhmen und Mähren. R.Bw.K. 961/45, vom 28.3.1945 und 977/45, vom 29. und 31.3.1945, Betr.: Kriegs- und Feldlazarette der Heeresgruppe Süd.)

 

Erst in allerletzter Minute, am Samstag den 31. März 1945, verluden die beiden Kriegslazarette und der Stab 606 in die am Bahnhof Götzendorf bereitstehenden Evakuierungszüge. Kurz bevor die Sprengkommandos der Wehrmacht mit der Zerstörung der Strecke begannen, konnte der Zug nächsten Tag, es war der Ostersonntag, endlich in Richtung Wien abdampfen. ( Das Ziel der Evakuierungszüge waren vermutlich die südmährischen Orte Budweis (Ceske Budejovice) und (jindrichuv Hradec).)

 Im Lager Götzendorf blieben nur einige schwerstverwundete Soldaten, die als nicht transportfähig galten, zurück, betreut von einer Rotkreuz-Schwester, welche sich freiwillig dazu bereit erklärt hatte. Das Schicksal der Zurückgebliebenen blieb lange Zeit im Dunkeln, erst als ein Massengrab in der nunmehrigen Wallensteinkaserne gefunden wurde, klärte sich deren trauriges Schicksal. Bereits ein Jahr zuvor hatte man im April 1980, nach längerer Suche, die sterblichen Überreste von acht Männern im Kasernenbereich gefunden. Diese waren noch vor der Ankunft der Roten Armee hier bestattet worden und die Lage des Feldgrabes war bekannt. Von den acht aufgefunden Skeletten konnten sechs, anhand der aufgefundenen Erkennungsmarken, eindeutig als Soldaten namentlich identifiziert werden. ( Die sterblichen Überreste wurden nicht in Götzendorf, sondern auf dem Soldatenfriedhof in Blumau bestattet.)

 

 

Erst ein Jahr später, im März 1981, als man die Suche nach dem Massengrab neuerlich aufnahm, wurde man Fündig. Man brauchte nicht tief graben um die Überreste von achtzehn Männern und ein weibliches Skelett, nämlich jenes der zurückgeblieben Krankenschwester, zu bergen. Die eingeschlagenen Schädel zeugten vom grausamen Ende dieser unglücklichen Opfer einer entmenschten Kriegsführung. Kein einziger, der von dem zurückgelassenen schwerstverletzten Soldaten hatte, den Vormarsch der Sowjets überlebt. ( Neue Kronen Zeitung vom 28.3.1981, Kurier vom 31.3.1981 und Rundschau für den Bezirk Bruck/L vom 1.4.1981.  Die in der Wallensteinkaserne aufgefundenen sterblichen Überreste fanden auf dem Soldatenfriedhof Blumau ihre letzte Ruhestätte.)

                

 

 

Kriegsende und Nachkriegszeit

 

Am Ostermontag des Jahres 1945 ging die Front zum ersten Mal über Götzendorf hinweg. An diesem 2. April hatte die 2. SS-Panzerdivision kurzfristig ihren Gefechtsstand in Götzendorf Quartier eingerichtet. Doch  der Aufenthalt war nur von kurzer Dauer, denn durchgebrochene russische Panzer hatten an diesem Tag bereits den Gramatneusiedl erreicht. Aufgrund der kritischen Lage zog der Divisionsstab rasch weiter nach Laxenburg. Parallel zu dieser Nordverschiebung des Stabes zog sich auch das zur Division gehörende Panzergrenadierregiment 4 aus der Brucker Pforte zurück. Am Morgen hatte das Regiment noch entlang der Leitha, mit Schwerpunkt im Raum Trautmannsdorf, gesichert, um sich dann während des Nachmittags über die Fischa zurückzuziehen. Um 14:00 Uhr war der Regimentsgefechtsstand in Moosbrunn, doch schon bald mussten sich die Grenadiere unter starkem Feinddruck in Richtung Gramatneusiedl absetzen. (Vgl. Weidinger, Otto, Kameraden bis zum Ende. Das SS-Panzergrenadierregiment 4 "DF" 1938 bis 1945, Göttingen 1962.)

 

 

Kurz nachdem die Soldaten der 2. SS-Panzerdivision abgezogen waren, kamen abermals deutsche Soldaten nach Götzendorf. Die aus südlicher Richtung kommende Kampfgruppe gehörte zur 3. SS-Panzerdivision, welche sich in aller Eile, ständig von der Einkesselung bedroht, aus dem Raum Neusiedlersees zurückzog. In den Nachmittagsstunden sammelte das SS-Panzergrenadierregiment 5 im Raum Götzendorf, wo auch der Regimentsgefechtsstand eingerichtet wurde. Unverzüglich wurde mit dem Aufbau einer Verteidigungslinie begonnen, welche von Gramatneusiedl, über die Ortschaften Mannersdorf und Hof und übers Leitha Gebirge bis nach Donnerskirchen reichte. Am 3. April wurde die Panzersperre am Ortseingang, eine Fallblocksperre, geschlossen. Ein monumentaler, querliegender Betonklotz blockierte nun die Ortsstraße. Die Straßenbrücken über die Leitha und den Leitha Kanal wurden ebenfalls geladen und zur Sprengung vorbereitet. Die Bahnbrücken hatte man bereits am Vortag, unmittelbar nach der Einstellung des Bahnverkehrs gesprengt.

 

In den Abendstunden des 3. April versuchte eine Kampfgruppe der III./SS-Panzergrenadierregiment 5 gegen das bereits von den Sowjets besetzte Lager Götzendorf vorzufühlen. Unter artilleristischen Feuerschutz tastete man sich vorsichtig über die Leitha vor. Doch noch bevor man sich zum Angriff bereitstellen konnte, hatten die Russen den Rückzug eingeleitet. Einige wenige Granaten der Selbstfahrlafetten mir den 15 cm Infanteriegeschütz genügten, um die Russen zu vertreiben. ( Vgl. Vopersal, Wolfgang, Soldaten Kämpfer Kameraden Band V b, Bielefeld 1991. S. 875.)

 Doch an der, durch den raschen sowjetischen Vorstoß in den Raum Himberg aussichtslos gewordenen Lage änderte sich nichts. Am nächsten Tag entwickelte sich die Lage dramatisch, da die Sowjets nun von allen Seiten gegen Götzendorf vorfühlten. Auch der Gefechtsstand der 3. SS-Panzerdivision in Margarethen am Moos, der von der bereits stark dezimierten SS-Pz-Aufklärungsabteilung 3 gesichert wurde, musste nun weg. Dabei verlor die Aufklärungsabteilung einen ihrer Panzerspähwagen, der unweit des Bahnhofs Götzendorf fahruntüchtig am Gleiskörper der Ostbahn zurückgelassen werden musste.

 

Die wenigen Kampfpanzer, über die das SS-Panzerregiment 3 noch verfügte, kamen im Raum Götzendorf zum Einsatz. So kam es gegen Mittag am 4. April 1945, als die russischen Panzer immer näher rückten, zu vereinzelten Panzergefechten. Während dieser Kampfhandlungen ging, wohl infolge eines technischen Defekts, ein Jagdpanzer in Flammen auf und brannte völlig aus. Noch lange nach dem Kriegsende stand das Wrack an der Straßengabel im Ort und erinnerte an jene schlimmen Tage. Als am späten Nachmittag der Befehl zum Absetzen kam war es für das III. Bataillon des SS-Panzergrenadierregiments höchste Zeit. Während des  Absetzens in Richtung auf Margarethen am Moos überflügelten die russischen Spitzen das Bataillon, welches sich den Rückzugsweg erst mühsam freikämpfen musste. Im Rahmen dieser Rückzugsbewegung sprengte eine Nachhut der 16./SS-Panzergrenadierregiment 5 die Leitha-Brücke, gerade in dem Augenblick als der erste russische Sherman-Panzer die Brücke überqueren wollte. ( Ebd. S. 878 f.) Damit endeten die zwar die Kämpfe im Bereich der Ortschaft, doch das Leiden der Bevölkerung ging weiter.      

                                                                                                                     

Unmittelbar nach dem Kriegsende wurde im Lager Götzendorf, von der sowjetischen Administration ein Sammellager für zivile Personen mit sowjetischer Staatsangehörigkeit eingerichtet. Dieses Sammellager, dass vor allem von ehemaligen Zwangsarbeitern, zumeist ukrainischer Herkunft, belegt war, galt über Monate als ein Quell ständigen Ärgers. Die Lagerinsassen führten regelrechte Plünderungszüge durch, die sie bis nach Sarasdorf und Mannersdorf führten. Die von diesen Plünderungen betroffene Bevölkerung konnte sich kaum dagegen wehren, da es damals noch keinerlei wirksame österreichische Exekutivgewalt gab.   (Österreichisches Staatsarchiv, Archiv der Republik, Heeresamt. GZ. 1 8/1 Grundzahl 13.164/45. Staatskanzlei-Heeresamt Zl.: 17.047, vom 8.9.1945. Militärkommando Niederösterreich, Heimkehrer Gruppe. Vertraulicher Bericht vom 3.9.1945 über die Dienstfahrt am 31.8.1945.)

 Im Brucker-Lager lag damals ein großer Panzerverband der Roten Armee, während das ehemalige Kriegsgefangenenlager in Kaisersteinbruch als Flüchtlingslager diente. Hier sammelte man ausgesiedelte Deutsche, zeitweilig waren hier 15.000 bis 16.000 Menschen, vor allem aus dem Banat, Serbien, Polen, Pommern und West- und Ostpreußen zusammengepfercht. ( Ebd.)

 

Über die weiteren sowjetischen Truppenstationierungen gibt es kaum Informationen. Für das Lager Götzendorf darf angenommen werden, dass es, wie schon zur Zeit der Wehrmacht, als ein Teil der Brucker-Garnison angesehen wurde. Das ist auch der Grund, dass sich keinerlei schriftlichen Hinweise auf eine Unterbringung von Truppen im Lager Götzendorf überliefert haben. Eine Truppenpräsenz kann jedoch als sicher angenommen werden. An sowjetischen Truppen und Einrichtungen sind  im Dezember 1950 für den Standort Bruck an der Leitha das 371. Veterinär-Spital und das Divisions-Artillerie-Kommando der 13. Garde-Mech.-Division bekannt. Dem Div.-Art.-Kommando unterstanden das 32. Garde-Haubitzen-Regiment, das 654. Garde-Granatwerfer-Regiment, das 15. Garde-Raketenwerfer-Bataillon und das 2500. Garde-Fliegerabwehr-Regiment. Neben der Artillerie gab es noch einen mechanisierten Verband, nämlich das 15. mittlere Garde-Panzer-Regiment. ( Vgl. Manfried Rauchensteiner, Der Sonderfall. Die Besatzungszeit in Österreich 1945 bis 1955. Hier die Seiten 356 bis 358)

 Die vorstehend angeführten Truppenverbände werden zwar für Bruck an der Leitha ausgewiesen, doch Teile davon waren sicher auch im Lager Götzendorf untergebracht.